Texte zu KünstlerInnen der permanenten Ausstellung des MAK
Barbara Bloom, Eichinger oder Knechtl, Günther Förg, Gangart, Franz Graf, Jenny Holzer, Donald Judd, Peter Noever, James Turell, Manfred Wakolbinger, Heimo Zobernig
erschienen in: 11 Artists - 1 Notebook, MAK, Wien 2004
BARBARA BLOOM
Barbara Bloom analysiert Räume mit der schlafwandlerischen Sicherheit der Natur, die sich daran macht, einem Wesen paarweise Organ einzusetzen. Das Verhältnis der Dinge untereinander, ihre Beziehungen, sofern sie sich zu einem Gedächtnis verflechten, bildet den Tenor ihrer Arbeiten. Sie entwirft beispielsweise ein Haus, das sich in ihrer Vorstellung reibungslos (effortlessly) bewohnen lassen sollte. Ein Haus, das sich auf vollkommene Weise an einen Bewohner anpasst, ja anschmiegt, als würde es einem gemeinsamen Körper mit ihm haben . Als Ergebnis ihres Projekts stellt sie schließlich den von ihr konzipierten Raum als CD Programm, als Spielkonsole und als eine »Schnitte« im Maßstab 1:1 zur Verfügung, die einem realexistierenden Haus übergestülpt wird. Haus steht für Mensch und umgekehrt, weshalb Barbara Blooms space eine DNA hat, die zu einem holographischen Raumgenerator wird. In dem Gespräch, das sie mit Linda Taalman und Alan Koch über einen längeren Zeitraum hinweg zum Thema Haus geführt hat spielt die Künstlerin very sophisticated die Einsteinsche Unschärferelation als Argument für eine künstlerische Interpretation des Verhältnisses von Architektur und Physik aus. Was ihr offenkundig an jenem Verhältnis gefällt ist, daß es nicht aufgeht, daß etwas übrig bleibt bzw.etwas übrig lässt. Sie geht, wie sie selbst angibt, ansonsten ihre Projekte eher aus der Perspektive von Literatur, Film und Musik an als aus Verpflichtung gegenüber Disziplinen der bildenden Kunst wie Bildhauerei oder Skulptur. Die sorgfältig platzierten Objekte in ihren Installationen produzieren sozusagen eine unsichtbare semantische Sphäre, die das Fehlende enthält (das Fehlende ist das, was nicht an seinem Platz ist, wie Jacques Lacan gesagt hat). Aus diesem Grund werden Dinge aus der Gattung des sweet nothing - Schatten, Wasserzeichen oder Mikrofiches - in die Arbeiten eingeführt. Susan Tallman meinte zu Barbara Blooms Kunst: »A drink before, and a cigarette after, are the three best things in life.«
Die Historizität der Sammlung im MAK erfasst die Künstlerin, indem sie die Schattenrisse der Stühle der Schausammlung, wie im japanischen Theater, auf einander gegenüberliegende Leinwände (symmetrisch) zu einem Schattengang projiziert.
EICHINGER ODER KNECHTL
Die Architekten Eichinger oder Knechtl vertiefen sich in ihre Aufgaben wie moderne Gründerväter: Fragen der Urbanität, der Benutzbarkeit, der Schaffung mehrdimensionaler Strukturen teilen sich mit den Imperativen der Gestaltung und der Klärung von offenem und solidem Raum und ihrem Verhältnis die obersten Ränge der Agenda. Komplexitätsgrade formieren sich zu Strängen und Verdichtungen, die wiederum so etwas wie erste Faktoren einer neuen Architektur werden können; aber es sind nicht nur die im strengen Sinne als architektonische definierten Aufgaben, denen sich Eichinger und Knechtl widmen. Lösungen in allgemeinen Fragen der Gestaltung und des Design anzustreben gehört ebenfalls zu ihrem Selbstverständnis, zumal gerade der öffentliche Raum heute hinsichtlich der Dichte und mäßigen Qualität der in ihm auftretenden gestalterischen Informationen geradezu Maßnahmen provoziert. Eichinger oder Knechtl geben dabei eine Option für die Vereinfachung der Formen bei gleichzeitigem Anwachsen von Komplexität ab. Gegen das »Chaos der Restflächen und unzähligen Behälter« beispielsweise sollte formale Klarheit, vielleicht sogar Poverität, und der Einsatz weniger erprobter Materialien wirken. Ein solches gestalterisches Credo leitet Eichinger oder Knechtl im Übrigen nicht nur in ihren wie deutlich gezeichnete, schwungvolle plastische Koagulationen (Raum-Verdichtungen), wie Ausfällungen aus einem angereicherten Milieu von Möglichkeiten wirkenden Häusern, sondern auch in zahlreichen Innenräumen, shops und Wohnungen, an die sie Hand anlegen. Die Ausweitung der Architektur bzw. sogar das Verlassen derselben, die es Eichinger oder Knechtl schließlich erlaubten, eine Reihe von neuen ästhetischen Erfahrungen und Inhalten aus Kunst, Design, Biochemie, Wissenschaftsgeschichte, Gesellschaftwissenschaften und Musik in ihre Arbeiten zu integrieren, beweist - nach einem Wort von Walter Zschokke - , daß es ihnen gelungen ist, sich den Architekturdrillanstalten zu entziehen. Ihre Lösungen sprechen die Sprache jener überlegenen und radikalen Einfachheit und Selbstverständlichkeit, zu der man nur durch verzweigte Forschungen und Erfahrungen findet.
GÜNTHER FÖRG
Das Bild hat eine Tendenz, mit einer anderen öffentlichen Fläche zu fusionieren, nämlich mit der Wand. Daraus ergeben sich für den Maler Aufgaben, die in einem weiteren Sinne als architektonische umschrieben werden können, als »Lockerungen der Wand«, wie Günther Förg dies nennt. Umgekehrt können Häuser als eine Art Riesenbilder aufgefasst werden, als ein räumliches Aneinanderlehnen farbiger Felder, eine »farbige Konstellation«. Aus der Konvertibilität von Bild und Wand leitet die Farbfeldmalerei einen neuen ontologischen Status ab, der eben durch die Wirklichkeit der Architektur und deren universaler und ungebrochener Geltung hinterfangen ist. Die Aufhebung der Tiefensimulation im Bild, das Ende der Bildperspektive in der Abstraktion, hat gewissermaßen die Architektur als Tiefendimension der Malerei zur Seite gestellt. Das Haus wird zu Modell und Referenzsystem der Malerei. Das Bild wird Gesichtlichkeit des großen Raumes. Günther Förg hat ein umfangreiches photographisches Archiv der Sovjet-Architektur angelegt, die Arbeiten von Zàzvorka, aber auch des alten Großmeisters Plecnik (vor allem in Prag) studiert und mit einem geschärften Blick für deren technoide Aura analysiert. Man sieht, daß der Künstler von der Funktion der Architektur hypnotisiert ist, von ihren Fluchttreppen, Rampen, Versorgungsleitungen, Balkonsymphonien und großzügig ausgestanzten Fensterserien. »Die Freude der vielerlei vorgestellten Widersprüche« (aus einem Interview mit Oswald Wiener) lässt aber auch konsequent eine mittlere Zonen zwischen Bild und Raum, Knautschzonen für Experimente entstehen, wie sie beispielsweise in Gebilden aus Gips, Sackleinen, Holz und Keramik etc. plastisch werden. Es bleibt offen, ob es sich in diesen wild arrangierten Materialcollagen um eine explosive oder eine implosive Symbolik des Raumes handelt. Es hat ganz den Anschein, als würden vor allem die Elemente der Staffeleimalerei in diese Objekte verrührt. Selbst in solchen plastischen Objekten gäbe sich also noch die Malerei als Mutter aller Künste zu erkennen.
GANGART
Die interdisziplinäre Forschung ist seit längerem einerseits Traumwunsch einer permanenten Revolution der Fakultäten, zugleich selten erreichte Utopie, die meist an der babylonischen Verwirrung der Methoden und Technolekte scheitert. Im Umkreis der Kunst jedoch gewinnt ein Wissenstyp zunehmend Boden, der durch die Versichtbarungen, die die Kunst beisteuert, schnell und spielerisch ein hohes Niveau an Evidenz erreicht. Die Künstlergruppe Gangart operiert auf diesem auf die Kunst bezogenen interdisziplinär angelegten Plateau und produziert weniger als sie katalysiert: ein Zusammenhang, eine Kristallisation, eine Performance, eine Stimmung oder Tonart (hier eben: eine Gang-Art) tritt an die Stelle des Objekts. Analyse, Recherche und eine multimediale Strategie bilden die Architektur eines einem jeweiligen site angemessenen Kunstwerks. Die Themen, die sich Gangart vorgenommen hat, sind breit gefächert, wobei Installationen im öffentlichen Raum, also in Museen, Kinos, Hallen im Vordergrund stehen. Mit Sammlungen haben sich die Mitglieder von Gangart nicht nur einmal beschäftigt, wohl aus dem Grund, daß das materialisierte Archiv für sie einen idealen Forschungsgegenstand darstellt (auch um »ideologische Herausbildungen« - wie sie es nennen - zu studieren und sichtbar zu machen). Auf dem Flachbild der inventarisierten Gegenstände kann man ein Relief von Bezüglichkeiten aufbauen kann, welche, im Unterschied zum Versuch einer historischer Rekonstruktion, die Dinge in Resonanz mit Feldern ganz unterschiedlichen Zuschnitts bringt. Es ist dann, in einer Art von unorthodoxen Evaluierung dessen, was Zeugnis und Aufschluß geben könnte, von unmittelbaren und mittelbaren Bezügen die Rede. Es werden die Dinge in ein neues Verhältnis zueinander gesetzt (das kann eben sein: ein zeitgenössisches Video und Teppiche der Sammlung), wodurch sie wieder gesprächig werden. Das um die Objekte konstruierte Dispositiv, also der Präsentationsmodus, funktioniert ent-ideologisierend, sozusagen wie ein in einer gewissen, sehr bewusst eingestellten Tiefenschärfe die Dinge in den Blick nehmendes Objektiv; oder mit anderen Worten:
»Fokus der Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Sites im Sinne einer Schichtung und Gegenüberstellung von –perzeptiven, historischen und politischen – Zeiten und Lesarten«.
FRANZ GRAF
Es gibt inzwischen eine Reihe von CDs von Franz Graf, der nicht nur am sound interessiert ist, sondern auch an seinem Träger, an dieser kreisrunden Scheibe mit Loch, die ein label von der Hand des Künstlers trägt. Überhaupt lässt die Scheibe sofort an ein charakteristisches Kompositionsprinzip seiner Zeichnungen denken: eine Reihe von Blättern, die der Künstler mit dicken, schwarzglänzenden Graphitflächen und –linien ausführt, sind durch eine konzentrische Ordnung bestimmt und lassen sich wie Op-Art lesen. Oft werden die Elemente kombiniert: Zeichnung, Buchstaben (exquisite graphische Gegenstände!), daneben vielleicht noch ein Objekt (beispielsweise ein ausgestopfter Rabe, dessen Gefieder mit den Graphitspuren um die Wette glänzt), Photos und vielleicht noch einige zum eigenständigen Ding (Schattenriß) vergrößerte Buchstaben, unter Umständen in gotischer Fraktur, very gothic. Der Künstler setzt mit Bedacht die Worte, er schreibt die Zeichnungen und zeichnet die Schrift, zieht den Sinn aus in Linien der zweierlei Genres: in das florale und physiologische/physiognomische Lineament (Kreatürlichkeit) und in die elegante Gesetztheit der Lettern (Ästhetik der Buchstäblichkeit). Franz Grafs Kunst verfügt auch über eine poetische, eine literarische Dimension. Den mit Bleistiften gezeichneten Porträts (man findet oft Spuren verwischten Bleis=schöner Schmutz eines Kampfes) geht eine eingehende photographische Beschäftigung mit dem Modell voraus, welches meist ein nahe stehendes ist, eine befreundete Person, die zu einer Art humanistischer Forschungsgegenstand erklärt wird: Gesichter wie Landschaften, geschwungene Linien und gewellte Hügel. Die Handzeichnung, die Eigenhändigkeit und Authentizität der Linie stehen für Ausdruck und Empfindung – beides Kategorien aus 68, denen zum Ausgleich für die kühle Operationalität in der gegenwärtigen Kunst wieder größere Bedeutung zuwächst. Der Künstler hat die Staffelei gegen das Pult getauscht. Man sieht ihn hantieren, entweder er mischt die Tonspuren oder er zeichnet; in jedem Fall handelt es sich um eine neue Kunst unerwarteter Verbindungen.
JENNY HOLZER
Die Grammatiker und Sprachtheoretiker der strukturalistischen Bewegung waren sich schon darüber einig gewesen, daß die Sprache in der Art von readymades verfasst ist. Duchamp hat diese Gewissheit für die Kunst fruchtbar gemacht, indem er den Satz als künstlerische Operationsform in Anspruch nahm (Why not sneeze Rose Sélavy?). Außerdem beinhaltete das Künstlersein immer schon die Aufgabe, sich einen Titel einfallen zu lassen, das Werk in Worten zu paraphrasieren und es damit auch an die sprachliche Kommunikation anzuschließen (es sei den, man gehört den Titelverweigerern der o.T.-Fraktion an). Schon aus dem Titelmachen ergibt sich also eine gewisse Verbindung zwischen den Grammatikern und den Künstlern. In Jenny Holzers Kunst kommt der Satz aber nicht nach dem Werk; er ist das Werk. Sie untersucht in ihren Texten, die sie auf LED displays in endlosen Wiederholungen vorüberflimmern lässt, jene universale Kraft der Sprache, die sie einmal zum visuellen Objekt und zum anderem zur Norm von Urteilen und Handlungen werden lässt. Sie stöbert diese Texte bzw. Satzspenden überall auf, sie findet sie im Mund von Müttern, auf Postern, in Journalen, auf der Strasse. Was man sagt, diese sprachlichen Fertigteile, zu denen gegriffen wird: sie bilden den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die LED displays, die farbige Buchstabenfolgen vorführen (in einem Durchlauf/ dis-kurs), also fastfood für Leser liefern, werden wie Generatoren des öffentlichen grammatologischen enlightenments eingesetzt. Dabei stellt sich in dieser Lese-Vision die merkwürdige Einsicht ein, daß einige der über das display schwirrenden Sätze, nicht selten durch Pronomen wie »I« (Ich) (oder »me«) bekenntnishaft wirkend (Protect me from what I want), die eigenen sein könnten, die hier in enteigneter Form wiederkehren. Jenny Holzers Arbeiten weisen auf die Stereotypie, die Gestanztheit aller, wenn auch noch so affektiv besetzten Phrasen hin, auf die Sinn-Maschinerie der immer gleich bleibenden Folge von Subjekt-Prädikat-Objekt. Die Identifikation mit dem Gelesenen bildet der Kern von Arbeiten wie den Inflammatory Essays, die in einer Reihe pathetischer und appellhafter Formeln vorführen, wie man Begeisterung induziert. Die Flammenschrift und das Laufen der glühenden Buchstaben auf dem display – Technologie der Verkündigung im Stile von advertisement und Propaganda – haben die Invasion des Alphabeten zum Ziel, der in der Rezeption (Unentrinnbarkeit: wie sollte man dem Lesenkönnen entkommen?) dieser Kunst wahrnimmt, daß sowohl das Lesen wie das Sätze Bilden ihrem Wesen nach Automatismen sind. In MAK lässt Jenny Holzer ihre displays unterhalb der Decke in der Zone des »umlaufenden« Simses laufen, wobei die Anordnung das Weben oder Nähen eines Textils (Echo des Textes) suggeriert (der Faden läuft einmal vorne, einmal nicht sichtbar/ hinten).
DONALD JUDD
Donald Judd ist als Bildhauer, als Maler, als Kolorist bezeichnet worden. Für seine Kunst gilt die Einbeziehung technischer bzw. industrieller Standards als charakteristisch, wie beispielsweise auf Stahl oder Aluminium eingebrannte Normfarben, und zum zweiten seine überlegene, dem Museums-und Austellungstourismus der Werke entkommende Beschäftigung mit einer Architektur der Kunst, die er in Mafta im großen Stil realisieren konnte. Seine Raum-Obsession, Ausdruck eines entschiedenen Willens, einen Maßstab für die Kunst in vollkommener Autonomie zu erarbeiten, fühlt sich im Kunstmuseums enteignet, in jener »Scheinarchitektur für Scheinkunstwerke, dem Allerheiligsten einer Scheingesellschaft«. Als Modul des Raum-Rausches von Mafta lassen sich zweifelsohne schon Judds farbig lackierte Kästen erkennen, die er teilweise auch zu größeren Volumen ineinander geschachtelt hat. Die Farbe in dem jeweiligen »Kasten« oder Kästchen wirft manchmal, aus dem Kasten heraus, einen farbigen Schein auf die Wand, ein subtiles Zeichen. Als Bildhauer leitet ihn weniger das Interesse an den Deformationen der Körper als die wirkliche Vertiefung eines Farbfelds zur einfachen Räumlichkeit. Jene Räumlichkeit, jenes »Volumen« heißt für ihn ganz euklidisch der durch das räumliche Aufeinanderstehen von Flächen zustande kommende Quader, eben der erste Baustein des Raumes. Natürlich hat man ein solches, vom Künstler in höchster Konsequenz verfolgtes und variiertes Verfahren mit den Begriffen der Plastik zu erfassen versucht – da ja Judd wesentlich mit räumlichen Elementen arbeitet (eisernen Schreinen) -, insofern aber auch die Farbe diese wesentliche Rolle spielt (nicht die Farbe der Maler, die mit einem Pinsel aufgetragen würde, sondern die Farbe der Automobilkarrosserien, der Boote, Kräne etc.), hat man bisweilen geglaubt, ihn unter den Horizont der Malerei einrücken zu müssen. Dabei war man allerdings angesichts der Technizität und »Objektivität« des Farbeinsatzes bei Judd aufgefordert, neue Begriffe zu finden. Judd verwendet Farbe, aber er malt nicht. Ihn als »Kolorist« zu bezeichnen, würde zwar bedeuten, daß er - wie seine Vorgänger in der Geschichte der Malerei - einer ist, der die sogenannte Lokalfarbe bevorzugt, also einen Fächer reiner Farben liebt (aber wie pink neben rot, rot neben blau zu liegen kommt!), man würde aber diese Bezeichnung mit Zusätzen wie Farbspezialist, Farb-Vorarbeiter, Farbtechniker oder Farbenwissenschaftler/ Farbphänomenologe auf zeitgenössische Weise präzisieren müssen. Und man würde hinzufügen: raumbezogener, architekturbezogener, landschaftsbezogener Farb-Vorarbeiter.
PETER NOEVER
Peter Noever hat leidenschaftliche Manifeste für die Architektur verfaßt, er hat die Bedeutung von Architektur, überhaupt von Gestaltung in Kultur und Alltagskultur unterstrichen und selbst gebaut oder Entwürfe vorgelegt. In dem Projekt »Die Grube« beispielsweise hat er sich an ein großräumiges Konzept eines zeitgenössischen Bomarzo gemacht, d.h. an die Aufgabe, mittels architektonischer und gestalterischer Eingriffe die Wahrnehmung der umgebenden burgenländischen Landschaft in das Format der pittura metafisica zu bringen: man sieht etwa die »Flügeltreppen« frech ihre obersten Kanten über Niveau in Position bringen, eine Einladung zum Abflug nach unten aussprechend (in die Grube). Die axiale Anordnung der einzelnen Elemente (Treppe, Grube, Keller, Klosett, die Anordnung von Sitzquadern und der noch nicht realisierte Turm) in ihrer weißgetünchten Kompaktheit und Schmucklosigkeit wirkt wie eine Umkehrung der bekannten Struktur heiliger Orte in ein utopisches Spiegelbild: die Formen selbst scheinen durch mäßige Druckausübung (keine wilde Deformation, keine Zerrung, keine Quetschung, keine Explosion wie bei zeitgenössischen Kollegen) auf Kubus und Globus zu entstehen; es ist sogar so, daß man den Eindruck gewinnt, die einzelnen Elemente stünden untereinander durch ein Nullsummenspiel der eingesetzten Deformations-oder Formationskräfte in harmonischer Beziehung. Es besteht kein Zweifel, daß nur eine künstlerische Identifikation von universaler Ausdehnung eine solche radikale Landart auf den Weg zu bringen vermag, wie überhaupt Maximalismen, am Rande des Möglichen Angesiedeltes, gerade noch Machbares (kurz vor Abflug oder Absturz) Peter Noever wie einen Risikoforscher oder besser: Risikoproduzenten beflügeln. Klar, daß er aus einer solchen künstlerischen Haltung (Begriff für ein im Verschwinden begriffenes Bekennertum in Sachen Kunst) heraus Partei für ein Experimentieren mit Synthesen von Kunst, Medien und Architektur ergreift und solche auch selbst realisiert. Da er es kategorisch ablehnt, nur die Totenwache am Archiv der materiellen Kultur zu halten, postuliert er ganz konsequent das lebendige Archiv, und realisiert es, indem er dem zeitgenössischen Verstehen Raum und Form gibt, und zwar (der Logik der Sammlung entsprechend) eine ästhetische Form von angemessenem Format.
JAMES TURRELL
Auf die Frage, was er denn mit diesen gewaltigen Erdbewegungen im Auge habe, antwortete James Turrell den Trucker- und Bulldozerfahrern, die er an den Roden Crater in Arizona bestellt hatte: »die Farbe des Himmels verändern«. Seit geraumer Zeit arbeitet Turrell planmäßig und mit großem Aufwand an einem gigantischen Stück land art, an der Umarbeitung eines erloschenen Vulkans zu einem Skyspace, zu einer der Beobachtung von Himmelslicht, seinen Qualitäten und Bewegungsgesetzen dienenden Anlage, die man sich folgendermaßen zu denken hat: durch einen präzise bestimmten Ausschnitt wird ein gerahmtes Stück Himmel wahrgenommen und als Gebilde von unendlich delikaten, dichten, kaum zu beschreibenden Eigenschaften erlebt (was auch der Grund dafür ist, daß man Turrells Kunst eigentlich nicht photographisch abbilden kann) nämlich als hypnotisierende, intensive Farbsphäre. Turrell experimentiert seit den sechziger Jahren mit Licht, wobei etwa in den frühen Arbeiten im Mendota Hotel die Projektion, man könnte auch sagen: Profusion von natürlichem Licht in einen geschlossenen Raum im Zentrum steht. Die Privation der Wahrnehmung, also ihre Beraubung durch das Fortnehmen der Gegenstände, lässt das Licht in seiner eigentümlichen Wunderqualität zur Geltung kommen: es fällt nicht mehr an den Dingen aus, die es einhüllt und »bemalt«, sondern umgekehrt, es formiert sich als unkörperlicher Körper von magischer Anziehungskraft. Turrell ist gewissermaßen der Platoniker unter den Lichtkünstlern bzw. ein post-platonischer Ingenieur, der sich nicht mehr mit der Produktion/ Projektion und Deutung vorüber ziehender Schatten (die Platon im sogenannten Höhlengleichnis beschreibt) zufrieden gibt, sondern eine Versichtbarung der Lichtung, die Erscheinung des Lichtwesens anstrebt. Wie sollte man vor einer solchen Kunst nicht zu metaphysischen Worten greifen wollen? Wie dieses Licht als eigenständiger Körper oder in Gestalt eines Ganzfeldes Präsenz entfaltet, verblüfft den Wahrnehmungsapparat, dessen Rigidität unmittelbar aufgebrochen, auf der Ebene der Ur-Spuren berührt ist: es scheint, als habe man mit allen Wahrnehmungen, denen man bisher gefrönt hat, immer nur diese eine Wahrnehmung des Lichtes selbst angestrebt.
MANFRED WAKOLBINGER
Die plastische Aufgabe ist eine Volumenfrage, wie Manfred Wakolbinger unterstreicht. Das Volumen wird durch eine Raumgrenze bestimmt, durch die plastische Haut, die sich in einer bestimmten Form im Raum krümmt. Dieses Zitat der Haut, also der sich komplex abrollenden materialisierten Fläche, macht darauf aufmerksam, daß der Künstler auf die große und politisch wirksamste Tradition der Bildhauerei anschließt, nämlich auf die, die mittels Guß und Abguß starre metallene »Häute« fabriziert. Also nicht das kompakte Volumen, die gefüllte, magische Voodoo-Plastik, sondern die Hohlform, die Raum ebenso ausschließt wie einschließt, bildet das zentrale Thema der Plastik Manfred Wakolbingers. Die Hohlform führt, ganz wie auch die sich umstülpenden Häutchen in der embryonalen Genese tun, notwendig zu einer Behandlung des Verhältnisses von Innen und Außen unter dem Titel der »Öffnungen«. Die »Körper« von Manfred Wakolbinger erhalten beispielsweise einen hellen, lichtabweisenden Spachtelputz, inmitten dessen die warmfarbigen und glänzenden kupfernen Vertiefungen in Gestalt geometrischer Formen wie verheißungsvolle Organe sitzen. Überhaupt hat das bevorzugte Kupfer etwas von Inkarnat, etwas vom lebendigen Hautton, was besonders augenfällig wird, wenn die Plastik, der Logik ihrer Monumentalität widerstrebend, hängt, von der Decke baumelt wie ein seltsamer Organismus, eine Alientrophäe. Manche Kunsttheoretiker fanden sich angesichts dieser Hängung ohne Umschweife an ein Schlachthaus erinnert. Eine andere Spur führt in eine Kindheitserinnerung an Großartiges, das hoch über den Köpfen schweben sollte, nämlich zu einem Sputnik (was auch ein Sammelbegriff für rätselhafte, neuartige Objekte sein könnte). In seiner Interferenz mit der hohen Tradition der Gussplastik ruft Manfred Wakolbingers Kunst übrigens eine weitere räumliche Technik der Überhöhung wieder auf: er stellt seine Volumina in Vitrinen, die sie in ein privilegiertes Milieu, in einen exklusiven Umraum einhüllen, in den symbolischen Raum der Kunst. Zugleich definieren diese Vitrinen das Luftvolumen, die Grenzen, denen die Plastik einbeschrieben ist. Dieser Umgang mit dem Milieu eines plastischen Dinges weist vielleicht auch auf das geschärfte Sensorium eines Künstlers hin, der selbst beizeiten die Landexistenz gegen die Unterwasserforschung eintauscht, also den Milieuwechsel (unter Mitnahme eines entsprechenden Luftraumes, also mit geeigneten Mitteln) betreibt. Manfred Wakolbinger hat vor kurzem eine nicht nur die plastische Imagination anregende Sammlung künstlerischer Photographien von Meeresbewohnern aller Art vorgelegt.
HEIMO ZOBERNIG
Eine Weigerung, Kunst als Füllhorn verschiedenster Projektionen und Hoffnungen zu feiern, nimmt in Heimo Zobernigs Arbeiten, die die Zweckfreiheit der Kunst wörtlich zu verstehen versuchen, auf spezifische Weise Gestalt an. Kunst liefert Einsichten in das Wesen der Kunst, sagt Zobernig. Er klopft gewissermaßen die erhabenen Räume der Kunst nach den immer nur in dienender Form auftretenden Strukturen, Situationen, Archivordnungen, Präsentations- und Herstellungsgeräten und Gestellen ab, präpariert ihre Zweitrangigkeit heraus und vergegenständlicht diese zum Kunstwerk selbst. Damit reiht er sich ein in eine Gruppe von Künstlern, die, einem subversiven Manifest folgend, die Rahmenbedingungen in einer Art ästhetischer Demokratisierung den Inhalten künstlerischer Produktion und Präsentation gleichsetzten. Zobernig tut dies weniger in der Absicht, das Unbewusste der Konstruktion aufdecken zu wollen, sondern, wie er sagt, eher als »Historiker«. Denn auch dieser sieht, was eigentlich nicht gesehen wird, und reicht uns eine Konstruktion herüber, die gewisse Ereignisse und Konstellationen in ihrer Bedingtheit einsichtig macht. Es färbt also nicht eine Ahnung angesichts einer verdeckten Wahrheit, sondern ausdrücklich ein totales, an Stil und Lösung orientiertes Interesse den Blick. Als Künstler auf der selben Ebene wie ein Historiker zu operieren, bedeutet, daß man ein Wissen und einen Begriff von den nach Ort, Zeit und Absicht verschiedenen Zureichungen der Kunst besitzt, die auf ihre Erscheinung Einfluß genommen haben und nehmen. An die Stelle der künstlerischer Kreation muß folglich ein Einsickernlassens des forschenden Ingenium in die Machinationen der Kunst rücken, in die Möblierung und Strukturierung des von der Kunst vereinnahmten Raumes und ihrer Fläche, in ihr pragmatisches Skript, in ihr Genom. Man dreht sozusagen auf dem Rücken der vollkommenen Puppe an ihren Schrauben und macht so dem vereinbarten/ absichtlichen Vergessen (Nicht-Sehen) ein Ende (anti-illusionistisch). Der künstlerische Eingriff wird bei Zobernig auch zur Meisterschaft der tool box, zur Fabrikation, die die in ihrer neuen Unverbindlichkeit das Muster oder die Gebrauchsanweisung frei variiert.
© Copyright: Elisabeth von Samsonow, 2004.