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Lehrveranstaltungen Wintersemester 2006/07 und Sommersemester 2007

 
 
Sommersemester 2007

Vorlesung Anthropologie II IMAGO.
Der nicht enden wollende Reiz der Bilder: Magie, Kult, Kunst, Ideologie

Kaum ein Begriff wurde ähnlich inflationär gebraucht: den bildenden Künsten stehen die Bildwissenschaften, die bildgebenden Verfahren, die Ausbildungsstätten etc. etc. und die eingebildeten Kranken, sortiert nach Weibsbildern und Mannsbildern, gegenüber. Um trotz der Diskurs- und Streitgebirge, die sich in den letzten Jahren (von neuem) um diesen Begriff herum in der akademischen Landschaft aufgetürmt haben, noch so etwas wie einen klaren Blick auf die Bildfrage werfen zu können, wird das Gebiet weiträumig überflogen, was eine Synopsis (einen Überblick) ermöglichen soll: zu diesem Zweck sollen nicht nur die sich zwischen einer ikonoklastischen (bilderstürmerischen) und einer magisch-affirmativen Bildpolitik hin- und herschlängelnden Linien der Bildgeschichte im judäo-christlichen Kontinuum bis in die Moderne nachgezeichnet, sondern auch in die »primitiven« oder fremdkulturellen Regime des Bildes ausgeholt werden. Neben künstlerischen bzw. kunsttheoretischen und politischen Bildkonzepten sollen auch die magischen, kultischen und religiösen Bildstrukturen eine Berücksichtigung finden, die dann Licht in die viel gerühmte, viel beklagte und bekämpfte Macht der Bilder zu bringen vermögen.

Literaturliste:

Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius: Die magischen Werke. Wiesbaden: Fourier 1985

Albertus Magnus: Buch über die Ursachen und den Hervorgang von allem aus der ersten Ursache. Hamburg: Meiner 2006

Andritzky, Walter: Traditionelle Psychotherapie und Schamanismus in Peru. Geschichte und Gegenwart, Berlin 1999

Contemporary Art and Anthropology. Hrsg v. A. Schneider u. Chr. Wright. Berg 2006

Belting, Hans (Hg.): Bildwissenschaften im Aufbruch. München: Fink 2007

Benzig, Brigitta: Das Ende der Ethnokunst. Wiesbaden 1978

Böhme, Gernot: Theorie des Bildes. München 1999

Kriss-Rettenbeck, Lenz: Ex voto. Zeichen, Bild und Abbild im christlichen Votivbrauchtum. Zürich 1972

Latour, Bruno/Peter Weibel (Hrsg.): Iconoclash. Beyond the image wars in science, religion and art. On the occasion of the Exhibition "Iconoclash", Karlsruhe/Cambridge 2002

MacCaffy, Wyatt: »Magic, or as we usually say: Art«, in: The Scramble for Art in Central Africa. ed. E. Schildkrout. New York 1998

Metken, Günter: Spurensicherung. Kunst als Anthropologie und Selbsterforschung. Köln 1977

Paracelsus, Theophrast: Vom gesunden und seligen Leben. Hrsg. v. R. Löther. Leipzig 1991

Panofsky, Erwin: Ikonografie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance, in: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst. Köln 1996 (engl. in Meaning in the visual arts)

Rancière, Jacques: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. Berlin 2006

Rieger, Stefan: Die Individuallität der Medien. Frankfurt/Main 2001

Segalen, Victor: Die Ästhetik des Diversen. Versuch über den Exotismus. Frankfurt/Main: Fischer 1994

Die Unvermeidlichkeit der Bilder. Hrsg. v. G. v. Gravenitz. Tübingen 2001

Wildgen, Wolfgang: Das kosmische Gedächnis. Kosmologie, Semiotik und Gedächnistheorie im Werke von Giordano Bruno. Frankfurt a.M./Zürich/New York: P. Lang 1998 (= Philosophie und Geschichte der Wissenschaften)

 

 

Seminar Anthropologie IV ENERGIE
Kraft als Leben oder Ware

Das griechische Wort energeia entstammt, was seinen philosophischen Gebrauch angeht, der aristotelischen Lehre von Akt und Potenz und den Kausal- und Finalursachen. Seit Meister Eckhart es nun mit »Wirklichkeit« übersetzte, hat die Konfusion darüber nicht mehr aufgehört, ob denn diese »Energie« eher auf die Seite der Lebewesen oder auf die der produzierten Dinge (der erga, Werke) gehöre, was also diese »Kraft« sei, die zur Aktualität kommt in einer Werk-Summe, der gegenüber oder innerhalb derer wir uns befinden. Das Seminar dient in der philosophisch-anthropologischen Revision der Energie- und Wirklichkeitsdiskussion der Gewinnung eines breiten Fundaments für die zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Status von Werk, Arbeit und Leben (in der Perspektive dessen, was man heute als »Postfordismus« bezeichnet); zugleich soll die Energie-Frage auf ökonomischem, geopolitischem und individuellem Niveau (bis zu Bergsons élan vital) zur Sprache kommen.

Literaturliste:

Aristoteles: Physik. Stuttgart: Reclam 1988

- ders.: Metaphysik. Stuttgart: Reclam 1991

- ders.: Nikomachische Ethik. Stuttgart: Reclam 1997

- ders.: Eudemische Ethik. Paderborn 1954

Asendorf, Christoph: Batterien der Lebenskraft. Zur Geschichte der Dinge und ihrer Wahrnehmung im 19. Jahhundert. Gießen 1984 (Neuaufl. Weimar 2002).

Auerbach, Felix: Ektropismus oder die physikalische Theorie des Lebens. Leipzig 1910

Eckhart (Meister Eckhart): Werke. Lat./dt., hrsg. v. N. Largier. Frankfurt a.M.: Dt. Klassiker-Verlag 1993

Eckhart (Meister Eckhart): Deutsche Predigten und Traktate. Hrsg. v. J. Quint. Darmstadt: Wiss. Buchges. 2003

Die Experimentalisierungen des Lebens. Experimentalsysteme in den biologischen Wissenschaften 850-1950. Hrsg. v. H.J. Rheinberger und M. Hagner. Berlin 1993

Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. (Versch. Ausgaben).

Marx, Karl: Das Kapital. (Zahlr. Ausgaben)

Maxwell, James Cl.: Elektrizität und Magnetismus, Substanz und Bewegung. VDM Verlag Dr. Müller 2006.

Nicolaus Cusanus: Vom Globusspiel./De ludo globi. Lat./dt. Hamburg: Meiner 1952

Ruh, Kurt: Meister Eckhart. München: Beck 1989

Scheler, Max: Die Stellung des Menschen im Kosmos. Bonn 1995

Teichmann, Jürgen: Elektrizität. Elektrostatik, galvanische Elemente, Mathematik und Atomismus, Elektron und Röntgenstrahlen. München: 1985

Tesla, Nikola: Der Erfinder des Radios. Peiting 2004

Thompson, Michael: Rubbish Theory. Creation and Destruction of Value. Oxford 1979

Zielinski, Siegfried: Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens, Hamburg: Rowohlt 2002

 

 

 

Wintersemester 2006/07
 
Vorlesung Anthropologie I
Fiction. Philosophie der neuen und anderen Welten

Imagination, Phantasie und Fiktion scheinen eine Begriffsfamilie zu bilden, die in der Philosophie alles andere als geschätzt wurde. Seit der Renaissance allerdings ist eine zunehmende und deutliche Aufwertung zu verzeichnen, deren Deutung Gegenstand dieser Vorlesung ist. Das, was in der Moderne fiction oder science fiction heißt, wird in dieser Vorlesung auf den Hintergrund der neuzeitlichen philosophischen Auseinandersetzungen um die erstrangige Erkenntnisform montiert werden. Es wird so seine Bedeutung als bloßes literarisches Genre hinter sich lassen und seine elementare Funktion als »Weltspiel« (statt Wortspiel) zurückgewinnen.

Literaturliste:

Aristoteles: De anima (Über die Seele), hg. und übertragen von Paul Gohlke, Paderborn 1961

Di Blasi, Luca (Hg.): Cybermystik. Hg.v. Luca Di Blasi. München: Fink 2006

Della Mirandola, Pico: Oratio de hominis dignitate/ Rede über die Würde des Menschen. Stuttgart: Reclam

Didi-Huberman, Georges: Venus öffnen. Zürich-Berlin: Diaphanes 2006

Fritsch, M., u.a. (HHgg.): Wo nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Science-Fiction-Filme: Angewandte Philosophie und Theologie. Herausgegeben von Matthias Fritsch, Martin Lindwedel und Thomas Schärf. Regensburg: Pustet 2003

Lachmann, Renate: Erzählte Phantastik zu Phantasiegeschichte und Semantik phantastischer Texte. Frankfurt: Suhrkamp 2002

Lovecraft, Howard Philips: Supernatural Horror in Literature. (dt.: Die Literatur der Angst. Zur Geschichte der Phantastik)

Mersmann, Birgit (Hg.): Kulturen des Bildes. Hg.v. Birgit Mersmann und Martin Schulz. München: Fink 2006

Morus, Thomas: Utopia (1516), übs. Von Gerhard Ritter, Nachwort von Eberhard Jäckel. Stuttgart 2001

Nancy, Jean Luc: Die Haut der Bilder. Zürich-Berlin: Diaphanes 2006

Segeberg, Harro (Hg.): Mediale Mobilmachung II. Hollywood, Exil und Nachkrieg. (= Mediengeschichte des Films, Band 5.) Hg.v. Harro Segeberg. München: Fink 2006

 

 

 

Seminar Anthropologie III
Consciousness. Phänomenologie des halluzinierenden Geistes

Die Kopplung von Erkenntnisfähigkeit und Erkenntnisgegenstand in einer Bilanz, die Wahrheit heißt, impliziert auch deren Entkopplung. Die Gegenwart lässt sich als das Projekt einer drastischen solchen Entkopplung, unter der Voraussetzung, dass diese ebenso umfängliche Einsichten in das Wesen der Erkenntnisorgane zuließe wie die Kopplung, beschreiben, wobei Formen der induktiven Modulation von Bewusstsein (Stimulanzien ästhetischer, pharmakologischer, endogener etc. Natur) gegenüber ursprünglich gegenstandshaltigen Erkenntnisformen in der Vordergrund rücken. Die These Wolf Singers, dass das Gehirn ein »sich selbst unterhaltendes Organ« sei, lässt uns die Frage stellen, ob, wie und in welcher Form (»Dosis«) »Welt« in modernen Erkenntnistypen überhaupt noch gemeint ist. Das Seminar behandelt ausgehend von Ästhetik und Medizin des 18.Jahrhunderts die geistesgeschichtliche Linie der »Innervation« (Nervenforschung) als proto-biopolitische Phase, um zeitgenössische Probleme des entkoppelten, veränderten und erweiterten Bewusstseins zu diskutieren.

Literaturliste:

Hegel, G.W.F.: Phänomenologie des Geistes. (Zahlreiche Ausgaben)

Deleuze, Gilles und Félix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve 1992, darin Kap. 10: »1730 - Intensiv-Werden, Tier-Werden, Unwahrnehmbar-Werden«

Heidegger, Martin: Sein und Zeit

- ders.: »Die Weckung einer Grundstimmung unseres Philosophierens«. In: Martin Heidegger Gesamstausgabe, II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944. Band 29/30, Die Grundbegriffe der Metaphysik: Welt - Endlichkeit - Einsamkeit. S.89 -111. Frankfurt: Vittorio Klostermann

Husserl, E.: Logische Untersungen. Hua XIX, Bd.2

Mattenklott, Gert: »Einbildungskraft«, in: Bernd Hüppauf und Christoph Wulf (Hg.): Bild und Einbildungskraft; München 2006, S.47-64

Metzinger, Thomas (Hg.): Bewußtsein, Beiträge aus der Gegenwartsphilosophie. Paderborn: Schöningh 1996

Pseudo-Mayne: Über das Bewusstsein. Hamburg: Meiner 1983

Samsonow, Elisabeth von: »Die Bedeutung der Bildtheorie der Renaissance für eine als Epoche der medialen Kollektivhypnose zu verstehende Moderne«. In: ACCADEMIA. Nouvelle Revue Humaniste, No.1 (1999)

- dies.: Die Erzeugung des Sichtbaren. Die philosophische Begründung naturwissenschaftlicher Wahrheit bei Johannes Kepler. München 1987

Wolff, Christian: Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele der Menschen, auch von allen Dingen überhaupt, den Liebhabern der Wahrheit mitgetheilet. (1738)